50 Jahre Mayer – Erinnerungen
Von Fröschen, 100 Wochenstunden und Textilien als Werkstoff:
Heinrich Mayer und Claudia und Michael Steidle blicken auf 50 Jahre Textildruckerei Mayer
Heinrich Mayer
Vor fünf Jahrzehnten hat Heinrich Mayer in Unterdigisheim seine Textildruckerei gegründet. Am 2. Mai 1974, einem Donnerstag, nahm das Geschäft in Unterdigisheim seinen Dienst auf. In ihrer Garage standen Heinrich Mayer und seine Frau Elsbeth an einem zwei Meter langen Tisch und druckten von Hand Motive auf T-Shirts – bis 180.000 Frösche auf den Plan traten.
Herr Heinrich Mayer, Sie haben im Jahr 1974 Ihren eigenen Betrieb gegründet? Was hat Sie zu diesem Schritt bewogen?
Ich war mit meiner Arbeit in der Meßstetter Kaserne unzufrieden. Meine Abteilung war aufgelöst worden und man hatte mich in einen Verwaltungsbereich versetzt. Nebenbei arbeitete ich bei einem Verwandten, der in Tailfingen einen Konfektionsbetrieb hatte. Ich habe dort als Wirker und Stricker ausgeholfen. Dieser Onkel, Karl Blickle hieß er, brachte mich auf die Idee mit der Textildruckerei und dem Motivdruck. „Die verdienen Geld, die Drucker“, sagte er immer.
Wie alt waren Sie, als Sie sich zur Selbstständigkeit entschieden?
Meinen 39. Geburtstag hatte ich schon hinter mir. Das kam mir damals ziemlich alt vor.
Wie war dann der Start? Mit wie vielen Mitarbeitern haben Sie angefangen?
Am Anfang waren meine Frau und ich allein, wir hatten keine Mitarbeiter – und keine speziellen Kenntnisse im Textildruck. Wir standen an unserem zwei Meter langen Tisch und haben von Hand mit Schablonen die ersten T-Shirts für die Bemusterung bedruckt.
Bis zur Beauftragung kann danach schon einige Zeit ins Land gehen. Bei uns ging das ein Vierteljahr, in dem wir überhaupt keine Arbeit hatten. Das war schlimm: Wir saßen oft schon um neun Uhr hinterm Haus; wenn noch eine Flasche Wein im Keller lag, haben wir die getrunken, nur damit wir etwas zu tun hatten.
Offenbar kam die Arbeit dann aber doch?
Richtig los ging es im Oktober 1974: Wir kamen mit der Firma Ernst Schöller ins Geschäft. Bis Weihnachten desselben Jahres sollten wir 180.000 Frösche auf T-Shirts drucken. Wir arbeiteten in Handarbeit. Zusammen mit früheren Kollegen und zahlreichen Aushilfen konnten wir mehrere Schichten tagsüber und abends besetzen, so dass wir den Auftrag fristgerecht erledigt bekamen. Im Schnitt haben wir 3.000 Frösche pro Tag geschafft.
Im neuen Jahr, 1975, kamen weitere Kunden hinzu, genauso wie die ersten festen Mitarbeiter. Wir brauchten mehr Platz, unser Zwei-Meter-Tisch hat natürlich nicht mehr gereicht, so dass es den ersten Druckerei-Anbau brauchte. Nach Ablauf eines Jahres hatten wir fünf feste Mitarbeiter und bis zu 50 Aushilfen.
Dauerte die erfolgreiche Entwicklung an?
In den Folgejahren hat sich das Geschäft prächtig entwickelt: Nach zehn Jahren arbeiteten 30 Angestellte bei uns, dazu 50 bis 100 Aushilfen. Das war Mitte der 80er-Jahre. Gefühlt halb Nusplingen und Unterdigisheim kam nach Feierabend abends.
Wir hatten zu dem Zeitpunkt bereits zwei große Gebäude, ausgestattet mit großen Druckautomaten. Wir waren einer von rund zehn Textildruckern im Zollernalbkreis.
1985 kam meine Tochter Claudia ins Büro. Unser Hauptkunde zu der Zeit war Sanetta, wir waren die „Hausdruckerei“, an die sie hohe Ansprüche hatten. Daran sind wir gewachsen: Wir haben komplizierte Aufträge angenommen, die andere lieber abgelehnt haben. Außerdem machte Sanetta noch gute Geschäfte, als viele schon die Abwanderung der Textilindustrie zu spüren begannen.
Das ist ein wichtiges Stichwort. An welchen Krisen erinnern Sie sich?
Für uns war es mehr ein Wandel, den wir mitmachen mussten. 1993, als mein Schwiegersohn ins Unternehmen kam, war die Textilindustrie in der Region rückläufig. Sanetta eröffnete ein Werk in Griechenland und zog die Aufträge bei uns ab – zusammen mit der Aufforderung, eine Niederlassung in Griechenland zu eröffnen. Das taten wir 1994; wir beschäftigten dort dann rund zehn Leute. In Unterdigisheim hatten wir zu der Zeit rund 20 Mitarbeiter.
Worauf sind Sie in geschäftlicher Hinsicht besonders stolz?
Der Aufbau eines Unternehmens ist immer ein Kraftakt. Meine Arbeitszeit belief sich in der Anfangszeit auf rund 100 Stunden pro Woche. Der Einsatz hat sich ausgezahlt, denn wir hatten schnell führende Position unter den Druckereien der Region eingenommen.
Unsere ersten Maschinen konnten wir kaufen, ohne einen Kredit aufzunehmen. Wir haben das Geld erst verdient – und dann haben wir es ausgegeben. Als ich mich mit 68 Jahren aus dem Unternehmen zurückgezogen habe, konnte ich meinem Schwiegersohn ebenfalls einen schuldenfreien Betrieb übergeben.
Die nötige Portion Glück hatte ich auch: Unsere Investitionen haben sich immer ausgezahlt.
Ihr Schwiegersohn berichtet, dass Ihnen das Loslassen leichtgefallen sei, Sie gerne die Verantwortung übertragen haben. Stimmt das?
Na ja, es war schon ein längerer Prozess, ich habe mich peu à peu zurückgezogen. Ich wusste, dass die Textildruckerei in guten Händen ist. Diese Umstellung, die wir jetzt vollführt haben, hätte ich nie schaffen können.
Was schätzen Sie an Ihrem Schwiegersohn?
Ich schätze seine Fähigkeiten und Kenntnisse als Elektronikmechanikermeister und Betriebswirt. Das war nötig, um den Betrieb umstellen zu können. Er ist ehrgeizig, liegt immer ein bisschen auf der Lauer.
Claudia Steidle
Frau Steidle, Sie waren bei Eröffnung des Betriebs Ihres Vaters und den ersten Jahren im Kindes- und Jugendalter. An was erinnern Sie sich gern – und an was weniger gern?
Ich war acht Jahre alt, als meine Eltern die Druckerei gründeten. Für meine Schwester und für mich war das aufregend: Wir waren sehr stolz, dass wir jetzt selbstständig waren.
Was hat Sie bewogen, den Betrieb zu übernehmen? War das immer schon ein Plan oder ergab sich das zufällig?
Ja, ich wollte in den Betrieb. Als junge Frau habe ich daher bei Paul Sauter Wirkerei und Strickerei in Meßstetten, beim „Pulli-Paul“, eine Lehre gemacht zur Industriekauffrau.
Dann war nur noch die Frage offen, wer der Chef wird. Den Mann dazu musste ich noch finden, denn das war definitiv nichts für mich. Und das hat ja prima geklappt – wobei wirklich erst die Liebe und dann das Geschäft kam! 1991 haben wir uns kennengelernt und 1993 geheiratet.
Was hat Sie an dieser Herausforderung besonders gereizt?
Mich hat es vor allem gereizt, selbstständig zu sein. Unser Unternehmen war eben in der Textilindustrie. Das war schon in den 90ern keine einfache Branche mehr, aber es ist uns immer wieder gelungen, neue, profitable Aufträge an Land zu ziehen.
2002 haben Sie und Ihr Mann die Druckerei übernommen. Welches sind Ihre Meilensteine?
Die Highlights waren unsere Auslandsbetriebe, die wir parallel zum Stammsitz unterhielten, auch wenn nicht alle mit Erfolg gekrönt waren. Die Druckerei in Ostdeutschland bei Chemnitz, die wir kurz nach der Wende eröffnet haben, funktionierte nicht. Auch unsere Zeit in Tunesien würde ich als „durchwachsen“ bezeichnen.
Definitiv die beste Erfahrung, menschlich wie geschäftlich, war die Druckerei in Griechenland, die wir 1994 eröffneten. Diesen Schritt haben wir mit Sanetta unternommen. Nach etwa 20 Jahre sind wir mit dem kompletten Betrieb nach Bulgarien umgezogen, wieder zusammen mit Sanetta. Dieses Werk haben wir vor etwa zwei Jahren verkauft – und damit das Kapitel der Auslandsniederlassungen geschlossen.
Gibt es Erfahrungen, auf die Sie gerne verzichtet hätten?
Der Exkurs nach Ostdeutschland. Wir waren zu weit weg, es gab immer wieder technische und fachliche Probleme. Auch die Auflagen der Ämter, Kläranlagen, Leitungen prüfen und so weiter, waren schwierig zu erfüllen. Nach fünf Jahren haben wir uns zurückgezogen.
Was macht Sie besonders stolz?
Dass wir trotz des Niedergangs der einheimischen Textilindustrie immer noch da sind.
Was bewundern Sie an Ihrem Mann und seiner beruflichen Leistung?
Seine Innovationen, seine Ideen. Ohne die würde es die Firma nicht mehr geben.
Michael Steidle
Herr Steidle, was kann Ihre Frau definitiv besser als Sie?
Auf jeden Fall Lohnprogramme und Finanzbuchhaltung! Aber im Ernst: Sie ist bei Personalthemen sehr gut. Außerdem bewahrt sie einen kühleren Kopf als ich.
Sie sind als Quereinsteiger zur Textilindustrie gekommen. Wo kamen Sie her und was hat Sie an der Textilindustrie gereizt?
Meine Lehre zum Informationselektroniker habe ich bei Bizerba absolviert. Nach dem Wehrdienst legte ich die Meisterprüfung zum Elektromechanikermeister ab und machte den Betriebswirt des Handwerks, beides nebenberuflich. Währenddessen arbeitete ich bei zwei verschiedenen Firmen als Werkstattleiter beziehungsweise als Produktionsleiter, Letzteres bei der Firma BSG in Engstlatt, die sich mit Elektronik und weißer Ware beschäftigten.
In der Zeit kam Heiner, damals schon mein Schwiegervater, auf mich zu und fragte, ob ich mir vorstellen könnte, seinen Betrieb zu übernehmen. Ich war angetan von der Idee, bat aber um eine Probezeit. „Spätestens nach einem Jahr entscheiden wir uns“, sagte ich. Die Frist hatte ich mir gesetzt, um eventuell in meinen alten Beruf zurückkehren zu können.
Wie waren Ihre ersten Schritte in der neuen Industrie?
Als Erstes habe ich in Reutlingen einen Intensivkurs Textil belegt. Ich wusste nicht, was eine Masche ist, wusste nicht, dass es einen Unterschied gibt zwischen einem Webstoff und einem Strickstoff! Das Medium war mir einfach fremd.
Trotzdem stellte sich schnell heraus, dass hier mein Platz ist. Mein Schwiegervater hat mir viel Freiheit gegeben. Ich war mir der Verantwortung bewusst, auch darüber, dass Fehler passieren können. Aber genau darin ging ich auf.
Reizvoll waren die einzelnen Drucktechniken, das Kombinieren und Ausreizen der Möglichkeiten. Deshalb kamen Kunden mit außergewöhnlichen Wünschen zu uns: Marc Cain beispielsweise. Durch die Produkte mit höherem Produktionspreis konnten wir uns abheben.
Sie haben die Textildruckerei ziemlich umgekrempelt. Welches war die erste große Veränderung, initiiert durch Sie?
Ich kam aus einer anderen Betriebswelt. Der Boden war blitzblank, keiner hat während der Arbeit geraucht oder Bier getrunken. Als ich zur Textildruckerei kam, gab es noch vier Fächer mit Bier im Getränkeautomaten. Das habe ich schnell abgeschafft!
Welches sind Ihre Meilensteine Ihrer Laufbahn bei und mit der Textildruckerei Mayer?
Der wichtigste war die Erkenntnis, dass wir einen Preiskampf nie gewinnen können. Wir müssen uns stattdessen über Kompetenz und Innovationskraft absetzen.
Das war ein schmerzhafter Prozess, denn über Jahre gingen uns Kunden verloren: Zuerst die Lohnstricker, dann die Wäscheleute und die Oberbekleidung. Gleichzeitig war ich unzufrieden, weil wir nur mit dieser Art des Druckes überleben konnten. Schließlich ist die Technik des Siebdrucks so vielseitig.
Mit den ersten Kontakten in den Automobilbereich kamen Anfragen, Silikone oder PUs auf Textilien aufzubringen – eben per Siebdruck. Den Wendepunkt brachte die Anfrage von Interstuhl: Ob man eine 3D-Beschichtung auf einen Arbeitsstuhl, ein Textil, aufbringen könne, mit außergewöhnlichen Eigenschaften und technischem Charakter. Nachdem wir diese Aufgabe gelöst hatten, traute ich uns den Wandel zu einem industriellen Entwickler zu.
Infolgedessen kamen immer mehr technische Projekte, Anfragen für Beschichtungen von Metallen, Kunstledern. Heute leben wir von den technischen Textilien, den Textildruck könnte man nahezu als Liebhaberei bezeichnen.
Eine weitere strategische Entscheidung war das Bekenntnis zum Standort durch die Sanierung unserer Bestandsgebäude und den Neubau.
Gibt es Entscheidungen, die Sie heute anders treffen würden?
Nein. Unternehmerisch würde ich nichts anders machen. Gerne erspart hätte ich mir die persönlichen und körperlichen Opfer, die so manche Entscheidung nach sich zog, beispielsweise unsere Niederlassung in Tunesien.
Was macht Sie besonders stolz?
Dass es uns gelang, das Einkommen meiner Frau und mein eigenes über 30 Jahre mit diesem Betrieb zu erwirtschaften.
Stolz macht mich außerdem, dass es uns gelang, den Betrieb so aufzustellen, dass er sich in einem schwierigen Markt behaupten konnte.
Welche Vision, welche Perspektive haben Sie für das Unternehmen?
Ich möchte den Betrieb auf eine Basis stellen, die es der Generation nach uns erlaubt, damit über eine längere Zeit ein erfolgreiches Geschäft zu führen. Ich möchte, dass jemand Interesse hat, das Unternehmen zu übernehmen. Schließlich will ich den Arbeitsplatz meiner Frau erhalten; sie hat ja schließlich noch länger zu arbeiten als ich!
Was wollen Sie persönlich erreichen?
Den Ehrgeiz, eine Idee in die Wirklichkeit zu transportieren und diese in einem fertigen Produkt zu sehen.
Bei uns ist Licht an.
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